Gastro in der Coronakrise: Kämpfen und Weiterentwickeln

Die Auswirkungen der Covid19-Pandemie für das Gastgewerbe sind desaströs. Ohne weitere finanzielle staatliche Unterstützung drohe jedem dritten Betrieb das Aus, warnt der Branchenverband DEHOGA. Zeit, das Thema Scheitern aus der Tabu-Ecke zu holen. Erst recht, wenn höhere Gewalt im Spiel ist.

Von Iryna Inshyna/shutterstock.com

Laut einer Umfrage des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (DEHOGA) beklagen Betriebe in Deutschland seit dem 1. März Corona-bedingte Umsatzeinbußen von durchschnittlich 80 Prozent. Auch nach der Wiedereröffnung von Restaurants und Cafés fällt die Bilanz der Gastronomen und Hoteliers niederschmetternd aus: Wie die Umfrage ergab, erzielten fast 80 Prozent der Betriebe in den ersten Tagen nach dem Neustart nur maximal 50 Prozent der sonst üblichen Umsätze. In der Konsequenz fordert der Branchenverband einen staatlichen Rettungsfonds mit Direkthilfen. Andernfalls stünden „Zigtausende Betriebe und Hunderttausende Arbeitsplätze auf dem Spiel“, wie DEHOGA-Präsident Guido Zöllickjüngst mahnte. 

Solidarischer Überlebenskampf

Die Branche kämpft ums Überleben. Und wie auch schon während des Lockdowns tut sie dies gemeinschaftlich. Neben der Organisation in Branchenverbänden schließen sich Gastronomen vielerorts auch virtuell zusammen. Bereits zu Beginn der Krise richtete eine Branchenallianz, angeführt von TV-Koch Tim Mälzer, einen Appell an die Bundesregierung, dem Soforthilfen folgten. Ende April forderte ein Bündnis um die Spitzenköche Frank Rosin, Tim Raue und Tim Mälzer in einem offenen Brief an Angela Merkel, und inklusive dazugehöriger Onlinepetition, einen „achtsamen Neustart“ für Restaurants, Bars und Cafés. Nun, nach dem Restart, ist eine weitere Petition online mit konkreten Forderungen zur Insolvenzabwendung. Neben finanzieller Unterstützung wird unter Rettet Deutschlands Gastgewerbe! auch die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bis zum März 2021 sowie rechtlicher Schutz vor Vollstreckungsmaßnahmen gefordert. 

Große und „kleine“ Insolvenzen

Doch trotz aller Anstrengungen wird die Corona-Pandemie den Markt bereinigen. Laut DEHOGA-Prognosen droht bereits Mitte Juni vielen Betrieben das Aus, sollte der Staat nicht eingreifen. Es wird kleine wie auch große Gastronomien treffen. Die Steakhauskette Maredound die Restaurantkette Vapiano haben bereits Insolvenz angemeldet. Beide waren allerdings schon vor Corona finanziell angeschlagen. Maredo hatte gleich im März zunächst Insolvenz in Eigenverwaltung beantragt, um dann später auf eine Regelinsolvenz umzuschwenken. Nun arbeiten Geschäftsführung und Insolvenzverwalter daran, Maredo wieder zukunftsfähig zu machen und suchen nach Investoren. Auch für Vapiano ist man zuversichtlich, einen Investor zu finden. Im Rahmen des vorläufigen Insolvenzverfahrens erhielt die Kette ein Massedarlehen, welches zur Überbrückung dienen soll, bis der Geschäftsbetrieb wieder aufgenommen werden kann. 

Enttabuisierung unternehmerischen Scheiterns

Zwei Learnings beinhalten diese beiden Fälle: Oft ist nicht alles verloren und Scheitern ist kein Makel, sondern unternehmerische Normalität. Ungeachtet der persönlichen Tragödien, die hinter jeder Insolvenz stehen, bietet ein Scheitern auch die Chance, aus Misserfolgen zu lernen. Während in den USA sogenannte „Failure Partys“ gefeiert werden, ist Scheitern hierzulande für viele Gesellschaftsgruppen noch immer ein Tabuthema. An diesem wird allerdings, ausgehend von der Startup-Bewegung, seit einigen Jahren gerüttelt. Maßgeblichen Anteil an diesem Sinneswandel hat die mittlerweile globale FuckUpBewegung. Sie entstand 2012 in Mexiko mit dem Ziel, gescheiterte Unternehmer vom Makel des Misserfolgs zu befreien und dem Publikum die Möglichkeit zu geben, aus den Fehlern der Gescheiterten zu lernen. In die Tat umgesetzt wird dies in regelmäßig stattfindenden FuckUp Nights (FUN) – mittlerweile in 90 Ländern und 321 Städten mit über einer Million Besuchern im Jahr. Auch in Deutschland erfreuen sich diese Veranstaltungen immer größerer Bekannt- und Beliebtheit. Und dies ist nicht nur in großen Städten wie Düsseldorf, Frankfurt, Berlin oder Dresden der Fall, sondern auch in kleineren Städten des Ruhrgebiets, in Gütersloh oder Neuss. Die FUNs sind branchenübergreifend, wobei die Gastronomie und Hotellerie darin nicht zu kurz kommt. 

Aus Fehlern (anderer) lernen

In bundesweiten FuckUp-Nights sprechen auch Gastrogründer über hingelegte Pleiten, damit andere aus ihren Fehlern lernen können. Wobei die Corona-Krise natürlich etwas aus dem Rahmen fällt, da sie höhere Gewalt darstellt. Dennoch bietet auch sie die Möglichkeit der gemeinschaftlichen Verarbeitung des Scheiterns. Und ein gewisses Lernpotential. Wie man an den Fällen Maredo und Vapiano sieht, trifft es diejenigen zuerst, die bereits vor der Krise Liquiditätsprobleme hatten. Insofern wird deutlich, dass Kosteneinsparungen derzeit oberste Priorität besitzen. Neben Fixkosten wie Personal und Miete lohnt auch ein genauer Blick auf die Prozesskostenoptimierung sowie eine Energieberatung. 

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